Die Filmstarts-Kritik zu Der Exorzismus von Emily Rose (2024)

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Der Exorzismus von Emily Rose

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

3,0

solide

Der Exorzismus von Emily Rose

Von Carsten Baumgardt

Konvention und Innovation. Das passt eigentlich kaum zusammen. Doch weit gefehlt. Regisseur und Autor Scott Derrickson macht es möglich. Sein Werk „Der Exorzismus von Emily Rose“ verbindet Elemente des klassischen Mystery-Horrors mit denen des straighten Gerichtsthrillers. Das Ergebnis ist über weite Strecken sogar gelungen, aber bei der Ausführung dieser interessanten Idee steht sich der Film oft selbst im Weg. Die atmosphärische Dichte und gute Schauspielleistungen werden durch eine fast schon dreiste Konventionalität bei der Umsetzung des Justizdramas zunichte gemacht. Denn hier gibt es zahllose Klischees und absolut keine Überraschung.

Der Staat gegen Pater Moore (Tom Wilkinson). Ein einfacher Prozess, hinter dem aber eine ganze Menge mehr Interessen stecken. Die Studentin Emily Rose (Jennifer Carpenter) kam auf grauenvolle Weise ums Leben. Nach Meinung des methodistischen Staatsanwalts Ethan Thomas (Campbell Scott) hat Pater Moore den Tod Emilys in letzter Konsequenz verursacht. Sie litt an einer psychotischen Epilepsie, ist für Thomas offensichtlich. Und da Moore ihr dazu riet, die dringend benötigten Medikamente abzusetzen, ist er wegen fahrlässiger Tötung anzuklagen. Pater Moore sieht dies jedoch ganz anders. Er behauptet, Emily sei vom Teufel besessen gewesen und der fehlgeschlagene Exorzismus, der zu ihrem Tod führte, hätte nur aufgrund der Medikation nicht funktioniert. Staranwältin Erin Bruner (Laura Linney) hat nur ihre Karriere im Kopf, als sie den Fall übernimmt. Die Agnostikerin gerät allerdings im Laufe des Falles immer mehr ins Zweifeln und wird unsicherer, was sie glauben soll und was nicht. Der Druck ihrer Vorgesetzten, der Medien und nicht zuletzt der Erzdiözese wird immer größer...

„Nach einer wahren Begebenheit“. Mit diesem Etikett schmücken sich gern mehr oder weniger grobschlächtige Horrorwerke (Texas Chainsaw Massacre, The Amityville Horror oder Boogeyman zum Beispiel), um einen Hauch von Realität vorzutäuschen, was sich allerdings bei genauerer Betrachtung meist als rasch platzende Luftblase entpuppt und mit der jeweiligen Verfilmung wenig zu tun hat. Regisseur und Autor Scott Derrickson („Hellraiser V: Inferno“), oder besser die PR-Abteilung von Sony Pictures, konnten der Versuchung nicht wiederstehen, ihrem Horror-Gerichtsthriller „Der Exorzismus von Emily Rose“ dieses zweifelhafte Prädikat anzuheften. Wer genauer hinsieht, bekommt aber wie erwartet, nichts zu sehen. Im 30-seitigen, wie üblich blumigen Presseheft ist keine einzige Zeile zu dieser „wahren Begebenheit“ zu finden. Soviel also zur Substanz dieser reißerischen Etikettierung. Tatsächlich gab es 1976 in Bayern einen aufsehenserregenden Fall. Damals kam die Studentin Anneliese Michel ums Leben, nachdem zwei Priester ihr mit Zustimmung des Würzburger Bischofs ein Jahr lang den „Teufel ausgetrieben“ hatten. Doch dieser „reale“ Fall hat mit „Der Exorzismus von Emily Rose“ nur noch die Idee gemein.

Regisseur Derrickson ist bisher nicht unbedingt als Filigrantechniker aufgefallen – einzig seine Storyline, die von Wim Wenders in dessen Land Of Plenty als Vorlage verwendet wurde, deklariert so etwas wie Anspruch für sich. Deswegen ist „Der Exorzismus von Emily Rose“, in den USA ein Überraschungsh*t, sein Karrierehighlight - bis jetzt. Doch leider wird der Betrachter das Gefühl nicht los, dass der Film in versierteren Händen ein echter Meilenstein hätte werden können. So bietet der Horror-Thriller zwar reichlich gute Ansätze, die aber nicht konsequent genug verfolgt und durch diverse Unzulänglichkeiten abgeschwächt werden.

Derrickson verleiht seinem Film eine elektrisierende Atmosphäre, welche die Gänsehautstimmung während der Horrorsequenzen voll ausreizt, auch wenn diese nicht ganz die Intensität des Klassikers „Der Exorzist“ erreicht. Die düstere Photographie von Tom Stern (Million Dollar Baby, Mystic River) unterstützt dies wunderbar. Das Schauspielerensemble ist ebenfalls bestens besetzt, obwohl Laura Linney (Kinsey, Mystic River) und Tom Wilkinson (Separate Lies, Batman Begins) zwar gute Leistungen zeigen, aber sicherlich schon besser zu sehen waren. Das liegt aber ausschließlich am Drehbuch. Campbell Scott (Kult in „Singles“), der lange Zeit in der Versenkung der B-Movie-Welten verschwunden war, gibt eine erstaunlich gradlinige und packende Performance, die sich hinter derer der „Schwergewichte“ Linney und Wilkinson nicht zu verstecken braucht. Auch Jennifer Carpenter, deren Mitwirken in White Chicks nicht gerade eine Empfehlung ist, überzeugt als hysterische Emily Rose, fällt dem Publikum ob dieses Umstandes aber das ein oder andere Mal gehörig auf die Nerven.

Die größte Stärke von „Der Exorzismus von Emily Rose“ ist die Konstruktion der inhaltlichen gerichtlichen Argumentation, die sich in ihrem Kern um Glauben, Realität und Vertrauen an Robert Zemeckis’ Contact orientiert: Die Männer des Glaubens beharren auf einem agnostischen Standpunkt und die Agnostikerin vertraut auf den Glauben... und der Zuschauer darf selbst entscheiden, was er glauben will. Im Stil von Akira Kurosawas Rashom*on präsentiert der Film im ersten Akt sämtliche Fakten und beleuchtet die verschiedenen Facetten nach und nach aus zwei völlig voneinander abweichenden Perspektiven. Dabei ist das Drehbuch in dieser Hinsicht sauber, präzise und nachvollziehbar. Keineswegs nachvollziehbar ist allerdings die Sturheit, die Derrickson beim Anlegen der Gerichtsrahmenhandlung an den Tag legt. Befreit der Betrachter den Film von dem Exorzismus, bleibt lediglich ein stinknormaler, höchst konventioneller Justizthriller, der nicht eine einzige Überraschung parat hat, was klar zulasten der Spannung geht.

Die Darlegung der Fakten ist indes schon nüchtern, aber bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass Regisseur Derrickson keineswegs unparteiisch ist, sondern die Sympathien manipulativ dem Gespann Linney/Wilkinson zukommen lässt. Dazu kann es „Der Exorzismus von Emily Rose“ manchmal nicht vermeiden, unfreiwillig komisch zu sein, was die Horrorstimmung etwas trübt, weil der Film sich in diesen Phasen zu ernst nimmt. Das ist insgesamt sehr schade, da hier viel mehr möglich gewesen wäre als ein grundsolider Horrorfilm, der mit einem Gerichtsthriller gekreuzt wird.

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